Schubladendenken

Warum neigen wir Menschen eigentlich dazu, dass wir so oft den Drang verspüren, andere Personen oder Personengruppen in die berühmte „Schublade“ packen zu wollen?

Meine Antwort und Haltung dazu ist, dass wir es aus Angst und Bequemlichkeit machen.

Mehr oder weniger halten wir uns ja alle gerne in der eigenen „Komfortzone“ auf und tun uns schwer damit, auch nur einen Schritt dort raus zu wagen. Zufrieden sind wir eigentlich nicht wirklich, aber verändern tut mitunter weh, weil es bedeuten könnte: 

  •  Ich müsste meinen Hintern von der Couch kriegen
  • Mein Gehirn wird angeregt umzudenken
  • Eventuell könnte eine Konfrontation mit mir selbst stattfinden
  • Einfaches „schwarz-weiß“ Denken würde auf einmal bunt und farbig werden

All das hätte zwar bestimmt auch Vorteile, aber wer garantiert mir das? Keine Garantie, keine Bewegung!

Also schwimme ich mit dem Strom und läster über all die Sportgranaten und Fitnessbabes, obwohl ich sie heimlich für ihren gestählten, sexy Body bewundere. Aber weil ich selber zu faul bin ins Fitnessstudio zu gehen, meinen Hintern aufs Rad zu setzen, die Laufschuhe viel zu groß für mich sind, bleibe ich lieber gemütlich vorm Fernseher sitzen und lebe den Sport nur so aus, indem ich Fingergymnastik an der Fernbedienung betreibe.

Höre ich dann aber am nächsten Tag von der Kollegin, der Freundin, dass diese gestern wieder 7 Kilometer gejoggt ist oder viel Spaß beim Pilates hatte, dann kommt Neid bei mir auf und ich denke still und heimlich: „Mist, die Tante sieht aber auch echt voll entspannt und fresh aus.“ Sagen tue ich aber wahrscheinlich:

„Findest du nicht, dass du übertreibst, mit deinem Sportwahn? Bist ja schon ganz mager im Gesicht – das sieht aber nicht mehr schön aus.“

Bähhmm!! Das hat gesessen und für einen Moment fühle ich mich total überlegen und gut, weil ich „rausgehauen“ habe. Mein verzweifelter Versuch, mich nicht faul, dick und unsportlich zu fühlen. Aber eigentlich beneide ich die Konsequenz meiner Kollegin, Freundin total und wäre auch gerne so aktiv.

Anstatt ein Lob auszusprechen oder ein lieb gemeinstes: „Ich bin voll neidisch darauf, dass du so diszipliniert bist“, wird die Sportskanone in die Schublade „Übertreibung, Sportsüchtig“ gesteckt und gleich mal mit negativ besetzten Adjektiven versehen.

Oder ich mache mich lustig über diesen Trend, der sich Vegan nennt! Fleischlos glücklich und gesund. Aber nee, hab‘ kein Bock, auf meine Salami auf Toast zu verzichten. Und die Chicken Mc Nuggets gehen auch viel schneller als diese Gemüseschnibbelei.

Aber vielleicht stehe ich auch total dazu, dass ich gerne Fleisch esse – das ist OK und gehört akzeptiert.

Meckern und mich lustig machen über all die Veganer tu ich nur, weil es mir so fremd ist. Ich mich gar nicht mit der Philosophie dahinter beschäftigen möchte. Außerdem ist es so anders, nicht der Norm entsprechend. Und alles was so „anders“ ist, wird zunächst erstmal abgelehnt

„Die wollen sich doch nur wichtig machen, was Besonderes sein.“

Und ich Fleischfutterer bin jetzt der Normalo und langweilig? Also muss ich die anderen schlecht machen…über sie herziehen. Lustige Anti-Vegan-Postings bei Facebook mit „gefällt mir“ anklicken. Dann hab ich es ihnen aber gegeben!

Ab in die Schublade Abteilung „Blasshäutige, spaßbefreite Ökos.“

Man assoziiert den Begriff Vegan quasi schon mit äußerlichen Attributen, weil man ein bestimmtes Bild vor Augen hat, wie diese „fleischlosen“ nichts tierisches konsumierende Personen auszusehen haben.

Und dann auch noch diese „Esoterikfraktion.“

Was wollen die mir denn die Welt –und vor allem das Universum- erklären? Viel zu abgehoben erscheinen sie mir, mit ihrem „Selbstliebe- und Verwirklichung-Gefasel.“ Die sollen mal ruhig weiter auf ihrer Yoga-Matte sitzen bleiben und vor sich hin meditieren, aber mich nicht nerven, indem sie dazu auffordern, dass ich in so ein Blödsinn wie Resonanz gehen soll. Und das Spiegelgesetz, Spiegelung…bah! Reicht schon, wenn ich mich morgens selber im Spiegel erkennen und ertragen kann.

Alles ist Energie? Denen zeige ich mal meine. Nämlich so, dass ich sie als die totalen Spinner bezeichne und auch nicht versäume, mich überall über ihre Thesen, Beiträge extrem lustig mache und trotzig gegen halte. Also schwupps, weg mit denen in die Schublade der „spinnenden Weltverbesserungsbesserwisser.“

Es gibt ja den berühmten Spruch: „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht.“ Passt!

Was mich so extrem stört ist, dass gerade Menschen, die sich als wahnsinnig tolerant bezeichnen, dass gerade die am meisten auf der Welle des „Sich Lustig machen“ reiten und ihre Nase rümpfen, als auch in Schubladendenken an vorderster Front mit dabei sind.

Open your Mind“…erweitere deinen Horizont und stell keine Wand auf, zwischen dem, was für dich gut und richtig erscheint gegenüber dem, was für dich unakzeptabel und als nicht richtig zu erkennen ist.

Es ist vollkommen Ok, wenn du mit etwas oder jemanden nicht konform gehst – muss man auch nicht zwingend. Aber verurteile andere oder andersartige Dinge nicht, indem du sie aus Angst, Bequemlichkeit oder Unwissenheit in die Schublade packst, damit sie dich bloß nicht unangenehm triggern können. Ist es denn nicht so, dass uns mitunter all diese Menschen – ob Fitnessfreaks, Veganer, Esoteriker, etc. mit unseren eigenen Grenzen konfrontieren? Nämlich mit diesem dunklem Loch in uns, welches sich Lethargie nennt?

Vielleicht auch mit einer Prise „Kleingeistigkeit“ versehen, weil es uns so schwer fällt, über den eigenen Schatten zu springen. Der „ innere Schweinehund“ dann doch brav neben dem spießigen „Vorgartenzwerg“ – der symbolisch für unsere Begrenzung im Kopf steht – sitzt.

Man muss nicht jeden Trend, nicht jede Lebensform oder Aktivität gut finden – um Gottes Willen. Aber man sollte sich auch davor hüten, alles der Lächerlichkeit Preis zu geben oder über etwas urteilen, wovon man eigentlich keine Ahnung hat, weil Basiswissen fehlt.

Gerne darf man humorvoll und mit einer Prise Ironie versehen, Bewegungen jeglicher Art betrachten und auch hinterfragen, aber zugleich bitte auch halt davor machen, ein Schubladendenken an den Tag zu legen. Und schön wäre es auch, wenn man sich in einer stillen Minute mal damit auseinandersetzt, warum man eigentlich so Anti ist.

Entspricht es wirklich nicht meiner Überzeugung  – dann ist es absolut in Ordnung.

Oder resultiert die ablehnende Haltung daraus, weil ich negativ an meine Schwächen erinnert werde, bzw daran, dass ich eigentlich auch gerne sportlich, fit, vegan oder „what ever“ wäre, mich aber nur meine eigene Bequemlichkeit oder Angst vor Konfrontation mit bestimmten Themen daran hindern, es umzusetzen?

Eigentlich sind es die „Schubladendenkenden“, die in selbiger fest sitzen und sich nicht hinaus trauen. Denn es gehört Mut dazu, mal über den Tellerrand zu gucken. Diesen wünsche ich dir!

 

 

 

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